Traditionelles Kräuterlexikon

Alexander-von-Bernus-Gesellschaft

Ausgewählte Lyrik des Freiherrn von Bernus


Alchymie


Schon nähert sich das große Werk dem Ende
Und aus der trüben Milch klärt sich der Stein.
Im nahen Augenblick der Sonnenwende
Muss mir das Gold gereift und zeitig sein.

Mich Jahr und Tag in Alchymie vergrabend.
Hab ich mich nicht umsonst gequält, gemüht,
Nun endlich, wie ein Wunder, heute abend
Der Pfauenschwanz in sieben Farben sprüht.

Saturn hat einen langen Weg genommen
Durch die Planeten, mancherlei Gestalt;
Der Stein ist in die Perfektion gekommen,
Denn günstige Astra haben jetzt Gewalt.

Geheimnisvolles Wechselspiel der Kräfte,
Es liegt gebannt in Sulphur, Sal, Merkur.
Nun Weiß und Rot bei nachtlichem Geschäfte
Zusammenkamen, reifte die Tinktur.

Im Lauf der Röhren steht ein Regenbogen,
Heraufgestiegen aus dem Strahlenkern.
Die chymische Hochzeit, bald ist sie vollzogen,
Denn auf dem Grund des Glases glänzt der Stern.

Schon über dem hermetischen Siegel kreisen
Die Salamander, schwingt ein geistiger Duft.
Die Stunde ist bereit: Im Stein der Weisen
Steigt Königin und König aus der Gruft.


(in 5 Jamben, hochgestelltes i unbetont)


Terzinen auf die Zwölf-Nächte


In den Zwölfnächten spiegelt wunderbar
Sich auf dem Göttergund der Himmelsweiten
Das ganze welten-angesagte Jahr.

In ihnen kreist der Wandel der Gezeiten,
Und das vorausgeworfene Geschehen
Liegt auf dem Wege, den wir erst beschreiten,

Mitunter lässt sich das in Träumen sehen,
Wenn es der Engel, der uns führt, so wendet
Und uns erhellt, dass wir den Traum verstehen.

Denn unser innerer Sinn ist abgeblendet,
Weil unser Leib, den wir vor allem lieben,
Zu undurchlässig ist und sich verschwendet.

Das Jahr, das kommt, noch ist es unbeschrieben,
Doch seine Schrift ist in den Himmeln lesbar,
Aus denen vor Aeonen wir vertrieben.

„Ihr werdet auferstehen unverwesbar“,
Sprach so nicht Der, der kam, den Tod zu bannen?
„Denn ihr seid Götter und vom Tod genesbar.“

In den Zwölfnächten, die das Jahr umspannen,
Lasst uns auf Ihn das Seelenauge richten,
Bis wir in Seinen Tiefen Grund gewannen.

Und zu uns kommen wird dann in Gesichten,
Was heute noch die Himmel uns verschließen.
In seinem Licht wird unsre Nacht sich lichten.

Und sieben rote Rosen werden sprießen
Um jenen Stamm, den wir in uns errichten,
Bis sie ums Rosenkreuz zusammenschießen.

Heut ist die Zeit zu künden, nicht zu dichten.


Tagwerden


Noch regt sich nichts, kaum zirpt die Grille,
Ein Lichtstreif nur weist auf den Tag.
Das ist die uferlose Stille,
Die Wunder über uns vermag.
Nun teilen langsam sich die Schatten
Die Nebel lösen sich in Tau,
Und was sie tief verschleiert hatten,
Zeigt sich allmählich, grau in grau.

Da rötet sich die blasse Narbe
Am Horizont und wächst empor,
Und jedes Ding gewinnt an Farbe,
Was es an Heimlichkeit verlor,
Und alles wird mit einem Male,
Gewaltsam in den Tag gestellt,
Nur abseits im entlegnen Tale
Behauptet noch die Nacht das Feld.


Nur das ist Tod


Nicht das ist Tod: Weil das Gefäß in Scherben
Zerbrach, von dem Gewohnten wegzugehn,
Ganz weg, weil es sein muss; das ist nur Sterben,
Seis auch das Schwerste, das zu überstehn.
Doch Todsein ist das nicht. Tod ist nichts Arges,
Das Sterben ist das fürchterliche Graun,
Der Schnitt durchs Leben, Abtransport des Sarges,
Die lebende Gestalt nicht mehr zu schaun.

Nur das ist Tod: Erst aus der Zwischensphäre
Auf sich zurückzusehn; im eignen Haus
Umherzugehn, als obs ein Andrer wäre,
Den Keiner merkt – und dann den Flug hinaus,
Den großen Flug hinauszutun in Weiten,
In Sternenweiten, um an Götterhand
Nach hellen einverseelten Weltgezeiten
Als Seele wieder gläubig einzugleiten
In einen Körper, den sie vorempfand.


Isa, 1945


Hat sie uns vieles auch geraubt, die Zeit,
Dem Dichter kann sie sein Gedicht nicht rauben,
Noch dir und mir, woran wir Beide glauben,
Gehn wir nur immer unsern Weg zu zweit.

Es gibt auch Wege in der Dunkelheit,
Und andre müssen sich das Licht verdienen,
Doch unser Weg war ganz von Licht beschienen,
Er kam von weither und er führt noch weit.

Wohin er führt, weiß einzig dein Geleit,
Dein guter Engel – Ihm lass uns vertrauen
Und seinem Licht in dieser Welt voll Grauen
In ihrer tiefen Undurchsichtigkeit.


(Ergänzung folgt! © Verlag Hans Carl, Nürnberg, 1962)



© sapientia.de