Traditionelles Kräuterlexikon

Alexander-von-Bernus-Gesellschaft

Grundsätzliches

»Die Spagyrik: die auf der Grundlage der Jahrtausende alten alchymistischen Methoden aufgebaute kosmo-physische Therapie, vermochte Außerordentliches. Ihre Heilerfolge grenzten an das Unglaubhafte; unglaubhaft allerdings nur für Denjenigen, der mit den Voraussetzungen und Vorurteilen der zeitgenössischen, materialistisch eingestellten Naturwissenschaft daran herangeht. Denn hier ist Grenzgebiet – und der Satz des Hermes Trismegistus: „Wie oben, so unten“ spricht die letzte Wahrheit aus.

Darum kann eine Wissenschaft, die sich eigenwillig darauf beschränkt, nur das „Untere“, und sei es mit noch so exakt-feiner Apparatur, einseitig zu erforschen, zwangsläufig nur zu Stückhaftem, zu Teilergebnissen gelangen: bloß in der Technik, der Chirurgie wird sie imstande sein, Vollkommenes zu leisten, und hier leistet sie es auch, unbestritten. Das Wesentliche aber: das Heilenkönnen schwerer interner Krankheiten, die Darstellung von Mitteln, die ohne den Organismus mit Giftstoffen zu beladen und ihn nachhaltig zu schädigen, die Heilkräfte selbst derart aufzurufen, daß er sich gewissermaßen reorganisiert (insofern Karma, das Ens Dei des Paracelsus, es nicht verbietet): diese unbedingte und einzig wahre Heilkunst ist nur einer vergeistigten, die kosmo-physischen Zusammenhänge beurteilenden Naturerkenntnis möglich. Diese Anschauungsweise hat nichts zu tun mit Mystizismus; sie ist nicht unklar und verschwommen; im Gegenteil: sie beruht auf höchster, letztgültiger Realität. –

In solchem Sinne arbeitete die Spagyrik von ehedem; in solchem Sinne wurde neuerdings von dem Laboratorium Stift Neuburg die Herstellung spagyrischer Heilmittel auf astrologisch-alchymistischer Grundlage unternommen nach Maßgabe der dem Laien wie dem materialistisch-wissenschaftlichen Forscher gleicherweise dunklen Vorschriften der großen jatrochemischen Ärzte des Mittelalters (Paracelsus, Basilius Valentinus, van Helmont, Philaletes u. a.), unter Berücksichtigung und Einbeziehung der geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnisse der Gegenwart bei gleichzeitiger Ausnützung aller Vorteile der modern-wissenschaftlichen Arbeitsmethoden.« [Alexander v. Bernus, Anleitung zur Behandlung mit den spagyrischen Arzneimitteln des Laboratoriums Stift Neuburg, Weimar, 1928] >> Flora in den Bernus-Mitteln



»Bleibt die Spagyrik, die zwar seit dem ersten Weltkrieg durch den Impuls des Verfassers in Deutschland wieder zu neuem Ansehen gelangte, die aber auch heute noch im Vergleich zur Biochemie oder Homöopathie auf eine verhältnismäßig beschränkte Anhängerschaft hinblicken kann. Und doch ist die Spagyrik – wenigstens die echte – diejenige Heilweise, die sowohl Komplex-Homöopathie als auch Biochemie zusammenfaßt und über sich hinausführt; denn einerseits erstreckt sie sich über den gesamten Arzneimittelschatz beider, andererseits führt sie dem erkrankten Organismus die indizierten Ingredienzien in einem durch die spagyrische Behandlung hindurchgegangenen, aufgeschlossenen und somit assimilierbaren Zustand zu, insbesondere die Metalle, Halbmetalle und Mineralien. –

Die Heilkräuter dagegen, welcherart auch immer, durchweg dem spagyrischen Verfahren, das bedeutet hier dem Gärungsverfahren, zu unterziehen, ist weder vorteilhaft noch ratsam, weil viele von ihnen dadurch gerade ihrer wirksamsten Bestandteile mehr oder minder verlustig gehen. Zwar führt ein namhaftes und anerkanntes süddeutsches Laboratorium das Recht, sich als spagyrisch zu bezeichnen, auf diese Behandlungsweise* der Arzneikräuter zurück, während es die metallischen und mineralischen Substanzen, nicht anders als Allopathie und Homöopathie es auch tun, unverarbeitet, im rohen Zustand dem Medikament hinzufügt, wobei es sich für diese seine Namensgebung auf Johann Rudolf Glaubers Autorität beruft, was nur bedingt berechtigt ist, da es gerade Glauber ist, der in seiner Pharmacopea spagyrica ausdrücklich hervorhebt: Es seynd nicht viel Vegetabilia, so dieses corrigens bedürfen, sondern können per se in ihre Essentias bereitet werden. [* wochenlange Vergärung zuvor frischer Pflanzen]

Dieser Standpunkt Glaubers ist auch heute noch der unsrige, den wir noch schärfer dahin präzisieren wollen durch die Aufstellung der Norm: Nur die giftigen Arzneikräuter, wie etwa Conium maculatum (Schierling), Nux vomica (Brechnuß), Semen strychnii usw. haben die spagyrische Behandlung im genannten Sinne nötig, während beispielsweise alle nicht-giftigen, Bitterstoffe enthaltenden Heilpflanzen, wie Chelidonium (Schöllkraut), Lignum Quassiae (Quassiaholz), Taraxacum (Löwenzahn), Cichorium intybus (Wegwarte) usw. keinesfalls durch unangebrachte Gärung dieses Bitterstoffes beraubt werden dürfen, da nach dem Gesetze similia similibus curantur bei den Erkrankungen von Leber und Gallenblase eben dieser Bitterstoff in erster Linie wirksam ist. – Und ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Bitterstoffen und Alkaloiden, die, in ihrem organischen Zusammenhang belassen, als integrierender Bestandteil der gesamten Pflanze von großer Heilbedeutung sind und deren Ausscheidung durch die Gärung daher tunlichst vermieden werden muß.

Allerdings die landläufigen vegetabilischen Tinkturen (alkoholische Arzneikräuter-Extrakte), wie sie bei der Allopathie und ebenso (bei vielleicht etwas längerem und sorgfältigerem Ausziehen) bei der Homöopathie als Urtinkturen offizinell sind, wird der Spagyriker als unzulänglich ansprechen, weil diese Tinkturen sowohl der nachträglich noch auszuziehenden Salze, als auch insbesondere des ätherischen Öles der zu verarbeitenden Pflanze entbehren. Aber die Salze ebenso wie die ätherischen Öle sind für die abrundende Gesamtwirkung des Arzneikrautes wesentlich, häufig sogar ausschlaggebend.« [Alexander v. Bernus, Alchymie und Heilkunst, Nürnberg, 1948]



»Mit den durch die spagyrischen Methoden intensivierten und aufgeschlossenen Medikamenten verhält es sich ähnlich wie mit den homöopathischen Hochpotenzen, wobei ebenso wie bei diesen alle schädigenden Neben- und Nachwirkungen wegfallen. Bei den spagyrischen Organmitteln kommt aber noch der Umstand – ein sehr wesentlicher und bedeutsamer – hinzu, daß sie astro-physikalisch orientiert sind; das heißt, die einzelnen Organmittel sind aus denjenigen Mineralien und Pflanzen aufgebaut, die dem betreffenden Organ kosmologisch zugeordnet sind. – Die Astrosophie lehrt, daß die einzelnen Organe unter ganz bestimmten Planeteneinflüssen stehen, die durch vieltausendjährige Entwicklungszustände hindurch über den Ätherleib an dem betreffenden Organ gearbeitet haben. Aber ebenso sind auch alle Mineralien und Pflanzenarten kosmo-physikalisch determiniert. Das einzelne Organ steht demnach unter der Heilgewalt der planetarisch gleichbestimmten Mineralien und Pflanzen: Herz und Augen sind solar, das Gehirn lunar, das Knochensystem saturnisch usw. – Nach dem Axiom des Paracelsus: Das Gestirn wird durch das Gestirn geheilt (übrigens auch der metaphysische Hintergrund der Homöopathie) wird ein Medikament, das aus den im astrologischen Sinne zusammengesetzten Ingredienzien aufgebaut ist, auch unmittelbar auf die Ätherkräfte des betreffenden Organs einwirken und diese zur Abwehr und Heilung aufrufen. Wie uns scheint: eine sehr einhellige und überzeugende Therapie.« [Alexander v. Bernus, Alchymie und Heilkunst, Nürnberg, 1948]



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